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Beitrag vom 04.10.2015
CocoRosie - Heartache City
Clarissa Lempp
Die unangefochtenen Königinnen des Freak-Folk sind wieder da. Mit "Heartache City" liefern die Casady-Schwestern ihr nunmehr sechstes Album. Dabei kehren sie zu ihren musikalischen Anfängen zurück
Mit ihrem Debüt "La Maison De Mon Rêve" trafen CocoRosie 2004 mitten ins Herz einer neuen Musikrichtung. Unter dem Decknamen Freak-Folk, Weird-Folk oder gar Queer-Folk etablierten sich Künstler_innen wie Antony Hegart (Antony and the Johnsons) oder der bärtige Hipster-Hippie Devendra Banhart. In diesem Umfeld trafen die beiden Schwestern Bianca und Sierra Casady (aka CocoRosie) mit ihren skurril anmutenden Klangwelten aus Harfe, Operngesang und Kinderspielzeug auf fruchtbaren Boden. Für ihr aktuelles Album "Heartache City" haben sie den Koffer mit den Spielzeuginstrumenten von damals wieder ausgepackt.
Auf einem Bauernhof in Südfrankreich nahmen die umtriebigen Schwestern die zehn neuen Lieder selbst auf und gründeten für die Vermarktung gleich ein eigenes Label. "Lost Girls" heißt der Musikvertrieb und ist gleichzeitig der Titel eines Songs aus dem neuen Album. Darin entwerfen eine schräge Kinderflöte, Klavier und das Meeresrauschen die musikalische Ummantelung einer poetischen Erzählung über "female creatures". Das Video dazu entstand in Buenos Aires mit 30 einheimischen Mädchen. CocoRosie haben in den letzten Jahren neben zahlreichen Kunst- und Theaterprojekten auch den Feminismus gefördert. Mit "Girls against God" sind sie neben Antony Hegart Mitherausgeberinnen eines queer-feministischen Kunstmagazins. Ihre äußerliche Erscheinung nutzen CocoRosie, um Genderklischees umzudeuten. So inszenieren sie sich gerne mit Bärten, als feenhafte Kriegerinnen oder schwarze Witwen. Für das neue Album griffen sie ganz tief in die Verkleidungskiste, rote Nasen und Clowns-Kostüme sind angesagt.
Mit "Heartache City" ehren CocoRosie ihre eigenen Wurzeln. Während sich die letzten beiden Alben ("Grey Oceans" und "Tales of a Grass Widow") eher der elektronischen Musikwelt zuwandten, ist "Heartache City" zur akustischen Instrumentierung zurückgekehrt. Das klingt mal fröhlich verspielt wie eine Kinderparty ("Un Beso") oder auch mal etwas düster ("Forget me not"). In "Big and Black" klingen die Schwestern wie eine psychedelische Version von Billie Holiday während "Tim and Tina" mit witzigen Voice-Samples und Hip-Hop-Ästhetik kokettiert. Textlich bleiben die Casady-Schwestern in ihrer kryptischen Welt aus magischer Umverteilung und identitätsstrapazierenden Kreaturen. Dass sie dabei auch ihren Humor behalten, zeigt der Song "Bed Bugs" der mit sakralen Gesängen und melancholischer Klavierbegleitung das Leben der Bettwanzen besingt.
AVIVA-Tipp: Wem die letzten Alben von CocoRosie zu arty waren, wird sich über "Heartache City" besonders freuen. Der kuriose Sound der Schwestern kommt hier zum vollen tragen und zeigt dabei ihre musikalische und künstlerische Entwicklung.
CocoRosie
Heartache City
Label: Lost Girl
VÖ: Digitaler Download erschienen, CD 16.10.2015
Mehr Infos unter:
www.cocorosiemusic.com, zum Magazine "Girls against God" www.facebook.com/GirlsAgainstGod und www.becapricious.com
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